Korsika – Tag 8: Etappe 9 – Das plötzliche Ende des GR20 – Ein emotionaler Abschied
Datum: 01.10.204
Startzeit: 13:00 Uhr
Wetterbedingungen: sonnig
Tourenbeschrieb:
Bis zum höchsten Punkt komme ich zügig voran.
Doch der Abstieg ist eine Herausforderung für meine Knie. Wie so oft zeigt sich der GR20 von seiner steilen und felsigen Seite. Der Weg hinab ist mühsam, zieht sich über Felsen fast durch das ganze Tal. Hier bekommt der Begriff „Zickzack“ eine völlig neue Dimension. Es dauert lange, bis ich die felsigen Passagen hinter mir lasse und mich dem Ziel, Vizzavona, nähere.
Kurz vor Vizzavona wird der Weg plötzlich leichter, und die Schilder weisen auf den GR20 Süd hin. In diesem Moment werde ich von meinen Gefühlen überwältigt – ein intensiver Mix aus Freude und Wehmut. Freude, weil ich den anspruchsvollen und wunderschönen GR20 Nord erfolgreich gemeistert habe. Gleichzeitig macht sich eine leise Traurigkeit breit, weil dieses Abenteuer nun so schnell zu Ende geht. Die imposantesten Landschaften und Passagen ziehen in Gedanken an mir vorbei. Ich möchte laut vor Freude schreien, könnte aber ebenso vor Traurigkeit weinen. Doch am Ende triumphiert die Freude über das Erreichte. Dennoch spüre ich in diesem Moment, wie sehr ich jemanden vermisse, um diese Emotionen zu teilen.
Als ich schließlich in Vizzavona ankomme, bin ich leicht enttäuscht. Irgendwie hatte ich ein Dorf erwartet, aber es sind nur ein Bahnhof und einige wenige Häuser zu sehen. Doch immerhin: Hier unten ist es angenehm warm, ganz im Gegensatz zu den kalten, wolkenverhangenen Bergen. Hier ist es zwar auch bewölkt, aber viel ruhiger. Alle Restaurants sind geschlossen, nur der kleine Laden an der Refuge mit Campingplatz hat noch geöffnet. Die heiße Dusche ist ein Segen, und es gibt sogar Licht in den sanitären Anlagen und im Aufenthaltsbereich. Ich kaufe Brot, Butter und genieße dazu etwas Trockenfleisch.
Wenig später treffe ich erneut auf die junge Frau aus Belgien, die mir unterwegs schon einige Male begegnet ist. Sie hat mich manchmal überholt, war jedoch oft abseits, alleine für sich. Nun setzt sie ihre Reise fort, und auch ich werfe einen Blick auf die kommenden Etappen und den Wetterbericht. Es wird übermorgen wahrscheinlich stark regnen, und in den Bergen könnte es sogar schneien. Doch die nächsten zwei Etappen führen nicht so hoch hinauf – es sieht nach einem eher ungemütlichen Tag aus. Eigentlich hatte ich den GR20 Süd schon für abgeschlossen gehalten, aber die Möglichkeit, noch weiterzugehen, weckt wieder neue Motivation.
Die Refuges schließen übermorgen. Meine Knie schmerzen von den 2000 Höhenmetern, die ich heute abgestiegen bin, und ich denke, eine Pause wäre keine schlechte Idee. Für das Weitergehen spricht, dass die Refuges morgen noch geöffnet sind. Dagegen spricht das schlechte Wetter, das übermorgen erwartet wird. Ich beschließe, die Entscheidung auf morgen zu verschieben.
Eckdaten
Dauer: 5,5 Stunden
Schwierigkeit: T3+
Markierung: Durchgehend rot-weiß, gut markiert
Andrang: nur wenige andere Wanderer getroffen
Charakter: viel Felsen, ein paar einfache Kleterstellen
Aufstieg: 665 Meter
Abstieg: 1195 Meter
Höchster Punkt: 2107 Meter
Wegpunkte: Refuge de L’Onda, Pointe Muratello (2 h), Vizzavona (3,5 h)
Fotos :
Karte:
Maximale Höhe: 2093 m
Minimale Höhe: 928 m
Gesamtanstieg: 1363 m
Gesamtabstieg: -2291 m