87. Tag: Ein kurzer Umweg zum Kinigat-Gipfel
Carolin und ich erreichten die Filmoor-Standschützenhütte in noch unter drei Stunden. 15 Minuten schneller als angeben. Es handelt sich um eine kleine und gemütliche Hütte, und es ist bedauerlich, dass wir heute nicht hier übernachten können. Um uns zu stärken, gönnten wir uns kalte Getränke und Kuchen. Carolin war an diesem Tag besonders motiviert und entdeckte in ihrem Wanderführer einen 45-minütigen Umweg zum Gipfel des Großen Kinigat. Der Wanderführer klassifizierte diesen Weg als „schwer“. Das Wort „schwer“ weckte regelrecht Carolins Abenteuerlust. Zunächst war ich nicht so begeistert, aber nachdem uns der Wirt erklärte, dass dieser Weg in den meisten Karten als Klettersteig markiert sei, in Wirklichkeit jedoch eher ein gesicherter Wanderweg sei, änderte ich zumindest meine Meinung zu „kann man versuchen“. Wir folgten den Schildern zum Klettersteig Kinigat und waren erstaunt über die lange angegebene Zustiegszeit.
Während wir die Karte studierten, kam ein freundlicher Österreicher vorbei, dem wir die Frage stellten, wie wir zum Kinigat gelangen könnten. Es stellte sich heraus, dass es drei verschiedene Wege gab: einen langen und steilen Klettersteig, einen Wanderweg mit schwarzer Markierung (schwer) und einen Weg, der sowohl auf der Karte als auch auf einem Schild als Klettersteig eingezeichnet war. Allerdings gab es Zweifel darüber, ob es sich eher um einen mit Seilen gesicherten Wanderweg oder einen Klettersteig handelte. Angesichts unserer Fähigkeiten entschieden wir uns jedenfalls gegen den längeren Klettersteig, da er für uns nicht begehbar gewesen wäre.
Der nette Österreicher, der zufälligerweise bei Airbus arbeitete, kannte auch Bückeburg, die Nachbarstadt meiner Heimat Rinteln, die nur wenige Kilometer entfernt liegt. Dank des schwarzen Wanderwegs fanden wir unseren Weg nach oben und begaben uns dann auf den leichten Klettersteig/Wanderweg mit Seilen, um wieder bergab zu gehen. Noch nie zuvor hatte ich eine so lange Kletterpassage im Abstieg bewältigt (geschätzt etwa fünf Mal 20 bis 30 Meter). Als ich schließlich unten ankam, war ich erstaunt über die Steilheit des Abhangs. Obwohl der Abstieg in meinem Komfortbereich lag und Spaß machte, war es wahrscheinlich die anspruchsvollste Kletterei, die ich bisher in den Bergen erlebt hatte. Obwohl ich subjektiv keine Schwierigkeiten hatte, gehörte dieser Weg objektiv betrachtet wahrscheinlich zu den anspruchsvolleren Wanderungen, die ich bisher unternommen hatte. Der Berg bietet nicht nur eine tolle Aussicht und ist der höchste Punkt meiner Reise, sondern er sieht auch einfach spektakulär aus.
Der zweite Gipfel für heute hieß Pfannspitze und ist mit 2678 Metern der zweit höchste Berg meiner Wanderung. Kurz vor dem zweiten Gipfel unserer Wanderung heute begann es zu regnen, und während des Abstiegs hörten wir zweimal Donner. Kurze Zeit später am Ziel der Obstanserseehütte kam bereits die Sonne raus und während ich mit Poncho vor dem See stehe springen andere Leute in den See rein. Beim Abendessen wurde mir erneut bewusst, wie klein die Welt ist, als Carolin und ich uns zu einem Pärchen aus Hildesheim gesellten, das nur 60 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt liegt. Das Mädchen hatte keine einzige Falte im Gesicht, und als Carolin nach ihrem Alter fragte, stellte sich heraus, dass sie 28 Jahre alt war. Als sie darüber lachte, dass ich sie für eine Teenagerin gehalten hatte, konnte man an ihren Lachfalten zumindest ein paar Jahre Lebenserfahrung in ihrem Gesicht erahnen. Mit am Tisch saß auch eine Gruppe Österreicher, die planten, unsere heutige und morgige Etappe an einem einzigen Tag zu bewältigen, was etwa 11 Stunden Marschzeit bedeuten würde. Offensichtlich planten sie, dies unter erschwerten Bedingungen zu tun und gossen sich dabei eine erstaunliche Menge an Weißweinschorle ein. Es waren offensichtlich keine Teenager, sondern Männer in meinem Alter. Es erstaunte mich, wie Menschen sich solchen verrückten Herausforderungen stellen. Aber offensichtlich dachten sie dasselbe über mich, als ich von meiner Reise nach Nizza erzählte.
Gipfel:
Fotos
Karte:
Maximale Höhe: 2700 m
Minimale Höhe: 1910 m
Gesamtanstieg: 1400 m
Gesamtabstieg: -1040 m