Montag, 09.10.2023

Heute bin ich ungewöhnlich früh aufgestanden und kurz nach Sonnenaufgang um 07:30 Uhr, habe ich mein Hotel in La Colmiane verlassen und bin unterwegs. Nach einer 30-minütigen Wanderung stehe ich an dem Punkt in Saint-Dalmas, an dem meine heutige Etappe auf dem GR5 nach Utelle beginnt. Meine App zeigt mir 9,5 Stunden für diese Etappe an. Das erscheint mir recht lang. Ich decke mich im Geschäft mit Proviant für den Weg ein und besuche dann noch den Bäcker für ein Café und Schokobrötchen für 2,30 EUR. Das kommt mir erstaunlich günstig vor, denn die Preise verwirren mich. Gestern zahlte ich in einem kleinen Laden 3,80 EUR für eine 0,5-Liter-Fanta, und ein 0,5-Liter Bier in einem Restaurant kostete 8 EUR. Und nun dieser Café-Preis. Günstig und teuer liegen hier nah beieinander.

In der Bäckerei treffe ich auf Erik, einen Holländer, der in Karlsruhe gestartet ist und ebenfalls dem GR5 folgt. Er hat seinen Job als Lehrer gekündigt und wandert bis nach Nizza. Er schläft immer im Zelt draußen, das gefällt ihm am besten. Wir überholen uns ein paar Mal. Abgesehen von einem polnisch sprechenden Paar ohne Rucksack treffe ich sonst niemanden. Wir tauschen unsere Telefonnummern aus. Wer hätte gedacht, dass ich so kurz vor Schluss noch einen Weitwanderer treffe?

Ein Teil des Weges, den meine App anzeigt, ist gesperrt, es fehlt ein Stück. Stattdessen führt er über einen schönen Grasgrat und über einige Gipfel bis auf 2102 Meter (‎Mont Chalancha) geht es hoch. Die Aussicht ist grandios, die Gipfel sind mit vertrocknetem gelbem Gras bedeckt – typisch für die Voralpen. Irgendwann geht es bergab, und der Weg wird einfacher und langweiliger, durch Wald oder Forststraßen. Hier komme ich schnell voran. Ich denke, wenn es so bleibt, könnte ich morgen schon in Nizza sein. Doch dann gibt es einen Gegenanstieg, und plötzlich öffnet sich wieder eine beeindruckende Aussicht. Das letzte Drittel ist wirklich großartig, trotz der vergleichsweise niedrigen Höhe von maximal 1600 Metern. Es gibt erstaunlich viele Steine, man könnte fast sagen, es wirkt schon regelrecht alpin. Diesen bergigen Charakter behält der Weg bis zum Ziel, dem Dorf Utelle, bei. Dieser charmante Ort liegt nur auf 800 Metern, ist aber von Bergen umgeben, wie ein richtiges Bergdorf (siehe Foto). Ich habe 9 Stunden gebraucht, einschließlich der 30 Minuten, die ich zum Startpunkt benötigt habe. Das ist eine Stunde schneller als in meiner App berechnet, trotz des Umwegs. Insgesamt 30 Kilometer und 1300 Höhenmeter in 9 Stunden – heute war ich wirklich schnell und bin jetzt etwas müde. Die Hitze war dank des frühen Starts, der höheren Höhen und mehr Schatten etwas erträglicher als gestern. Aber mir ist so etwas noch nie passiert: Ich hatte schon einige Stunden vor meiner Ankunft kein Wasser mehr und fand auch keine Wasserquelle unterwegs. Entsprechend erschöpft fühle ich mich, und die Pläne, morgen schon in Nizza anzukommen und die 37 Kilometer zu bewältigen, die laut der App 12,5 Stunden dauern würden, sind auf jeden Fall gestrichen.

Ich freue mich über die nette Bekanntschaft und die Gespräche unterwegs, und ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich spätestens übermorgen das Meer sehen werde und mein Ziel, Nizza, erreichen werde. Heute benötige ich zwei Wörter, um meinen Gemütszustand zu beschreiben: erschöpft und glücklich.

Nur noch 2 Tage Etappen nach Nizza.

Fotos :

Gipfel:
360 Grad Video

Karte:

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